Prof. Dr. Rosemarie Lühr

Miniaturmuster-Thesaurus

‚Miniaturmuster‘ sind z.B. Aphorismen, Sprichwörter, Sentenzen, Fabeln, Exempla, Parabeln, Schwänke oder Witze, in denen Wissensbestände unmittelbar auf eine Kernaussage komprimiert werden.

Ziel des Projekts ist es, Miniaturmuster zu dem Konzept ‚Arbeit’ in ihrer Tradierung über Generationen oder Wan­derung von einem Kulturraum zum anderen aufzuzeigen. Vordringliches Anliegen ist die Erhellung der an diese Muster gebundenen historischen Kognition und ihres Wan­dels in der Diachronie. Dafür werden kulturelle und v.a. poli­tisch-soziale Begründungszusammenhänge aufgedeckt, d.h. Definitionen und Bewertungen von Arbeit (Skla­ven-, bezahlte Erwerbsarbeit versus unbezahlte regenera­tive Tätigkeit usw.). Von aktueller Relevanz ist das Projekt insbesondere vor dem Hintergrund der Arbeits­migration innerhalb Europas, da etwa Vorurteile v.a. durch Witze verbreitet werden. Ein Aufzeigen soziokultureller Hintergründe der Muster könnte für Politiker, in der politi­schen Bildung Tätige sowie für Lehrer und Journalisten rele­vant sein.

Die Forschung zu Miniaturmustern findet bislang auf unter­schiedlichen Feldern statt: in Sprichwortforschung von Li­teraturwissenschaft und Volkskunde, in historischer Phrase­ologie, Diskursanalyse, Soziologie, Metaphern- oder Mär­chenforschung, Rhetorik und Stilistik sowie auf dem Gebiet der historischen Kognition. Das Vorhaben knüpft an diese Forschungen an, geht aber in der Auswahl des Untersuchungsmaterials, in der Sprachauswahl, durch die Beleuchtung der Etymologie sowie durch die Ver­bindung mit soziokulturellen Fragestellungen über sie hinaus. Geographisch reicht die Erfassung bis in die Kaukasus-Region und nach Anatolien, um so die kulturell vorherrschende Ein­schränkung auf West- oder Mitteleuropa zu vermeiden.

Am Beginn der Arbeit steht eine Analyse des Konzepts „Ar­beit“ (Wortfeld, Metaphern, historische Entwicklung etc.). In der folgenden Bearbeitung der zugehörigen Minia­turmuster wird chronologisch nach deren Aufkommen vor­gegangen. Es werden Sprichwort-, Witz- und Zitat-Sammlungen, Fabeln, Wörterbücher u.a. ausge­wertet. Daran schließen sich kognitiv-linguistisch-philologi­sche und kulturgeschichtlich-soziologische Analysen der Muster an. Über ein Netzwerk von Muttersprachlern werden Äquivalente in ausgewählten Sprachen Europas ermittelt und analysiert (Varianten, Konnotationen, kultureller und soziologischer Hintergrund etc.). Sodann wird die Entste­hung und Wanderung der Muster nachgezeichnet, und es werden die ermittelten kongnitiven Einheiten, die mit ihnen verbunden sind, diachron verglichen, wobei Gründe für ei­nen möglichen Konzeptwandel aufgezeigt werden.

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